Buch Potocnik sucht Streit
Viele Architekturkritiken nerven mich ja. Anstatt zu kritisieren, beschreiben sie Architektur – jedes Bild leistet da mehr. Mich interessieren vor allem die Hintergründe. Ich will wissen, aus welchen Gründen am Ende gute und warum schlechte Architektur entsteht. Welche Prozesse laufen im Hintergrund ab? Welche Rahmenbedingungen geben den Ausschlag? Wer sind die eigentlichen Akteure? Auf diese Weise will ich in meinen Artikeln die Architektur wieder mit dem Städtebau, der Raumplanung und der Politik verknüpfen. Und das mit dem Anspruch, für jeden interessierten Laien nachvollziehbar zu bleiben.
Ich geb’s zu, die angriffslustigen Kritiken sind mir leichter von der Hand gegangen. Ärger über die schlechten Bauwerke, die so massenhaft entstehen, Wut auf die öffentliche Hand, die ihre eigentlichen Interessen nicht mehr kennt oder wahrt, waren wichtige Triebfeder über die letzten drei Jahre. Mir ging es darum, die relevantesten herauszupicken und zu analysieren. „Koniferittis im Schillerpark“, „Mehr Glück als Verstand“ oder „Totgesagte leben länger“ sind in diesem Zusammenhang für mich die aufschlussreichsten Texte. Schnell wird klar, dass schlechte Ergebnisse nicht zufällig sondern durch mangelnde Planungskultur, also systemisch bedingt sind. Dass ich mit diesen zum Teil harten Kritiken richtig lag, bestätigten mir die zahllosen Rückmeldungen von Architekten und Laien – zu einem guten Teil mir Unbekannte – in Form von Briefen, Anrufen, Postings und Leserbriefen um ihrer Zustimmung oder ihrem Ärger Ausdruck zu verleihen. Das Anstoßen einer öffentlichen Diskussion ist für mich das, woran ich den Erfolg der Kritiken messe.
„Potocnik sucht Streit“ ist natürlich provokant und muss erklärt werden: Ich suche Streit in der Architekturdiskussion, der Diskussion darum, wie Architektur entsteht und vor allem wie Stadt entsteht. Ich suche Streit mit den Mächtigen in Oberösterreich, die so häufig ohne entsprechendes Wissen und Esprit guter Architektur und guter Stadt im Wege stehen. Ich suche Streit mit den Besitzstandswahrern und den Verwaltern des immer Gleichen. Und ich suche auch Streit mit den Architekten und Planern, die sich zu Erfüllungsgehilfen und damit zu einem Teil des Systems machen, das uns eine Umgebung und Strukturen verschafft, an denen wir noch Jahrzehnte kiefeln werden müssen. Bei aller Lust zu streiten handeln mehr als die Hälfte der Texte aber von herausragend guten Bauten, von guten Rahmenbedingungen, guten Architekturbüros und Bauherren und nicht zuletzt von einem Umfeld, das Qualität anerkennt. Die positive Wirkung auf die gesamte oberösterreichische Baukultur durch die Verbreitung von besten Beispielen aus der Praxis war ebenso Triebfeder für die Kritiken. Auch gute Architektur entsteht nicht zufällig, sondern fast immer als ein nachvollziehbares Ergebnis.
Meine Lust auf eine lebendige und vor allem öffentliche Architekturdiskussion hat zu einem weiteren Experiment geführt: Auf meine Einladung hat der Linzer Architekt und Stadtentwickler Andreas Kleboth die Texte im Buch kommentiert. Verstehen Sie diese persönlichen Anmerkungen als Aufforderung sich Ihre eigene Meinung zu bilden.
(aus dem Vorwort zu Potocnik sucht Streit – Architekturkritik in den OÖN 2012-2014)